Johanna Wenz Porträt

Vermittlerin und Motivatorin

Im Alter von 15 Jahren nahm Johanna Wenz an einer Jugendfreizeit teil, die ihr Leben nachhaltig veränderte. Dort probierte sie Neues aus, diskutierte über Gott und die Welt. Und vor allem wurde sie ernst genommen. Diese besondere Atmosphäre gefiel ihr so gut, dass sie sich ehrenamtlich im Kreisjugendring engagierte. Der soziale Bereich und die Jugendarbeit sind ihr Wirkungsfeld, in dem sie aufgeht. 

Johanna Wenz: Jugendarbeit aus Leidenschaft 

Für Johanna Wenz spielt es eine entscheidende Rolle, in welchen sozialen Verhältnissen Menschen aufwachsen. „Ich habe Glück gehabt und hatte gute Rahmenbedingungen“, erzählt die Niederbayerin, die wohlbehütet aufwuchs und von den Eltern bei der Umsetzung ihrer Pläne unterstützt wurde. Ihre Leidenschaft für den sozialen Bereich entdeckte sie, als sie sich mit 15 Jahren vom Kreisjugendring Deggendorf zur Betreuerin für Jugendfreizeiten ausbilden ließ. Sie betreute Kinder und hatte Menschen um sich, die sie in dieser neuen Rolle unterstützten: „Ich durfte Verantwortung übernehmen, Workshops anbieten und war für ein Zelt mit Sechs- bis Neunjährigen zuständig. Auch wenn es schwierige Situationen gab, die Gruppe war immer für mich da, hat mich beraten und unterstützt. Ich konnte Sachen wirklich machen. Das hat mich begeistert.“ Und zwar so sehr, dass sie 2014 mit Anfang 20 in den Vorstand des Kreisjugendrings Deggendorf wechselte. Als sie das Gefühl hatte, ihren Vorsitz in die guten Hände einer anderen jungen Frau übergeben zu können, machte sie den Weg frei und verzichtete 2021 auf eine weitere Kandidatur. Der Jugendarbeit blieb sie aber treu. Aktuell arbeitet sie als Dozentin am Institut für Jugendarbeit in Gauting bei München. 

Moderieren als Führungsstil 

Die Startbedingungen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzende des Kreisjugendrings waren 2014 aus ihrer Sicht nahezu perfekt: ein Geschäftsführer, der Mentor und Begleiter war, und ein Team, das sie persönlich sehr unterstützte. Neben jugendpolitischen Themen war Johanna Wenz unter anderem dafür verantwortlich, Angebote in der Jugendarbeit zu koordinieren, wie beispielsweise Ferienfreizeiten oder das Spielmobil. Ihre bis zu 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter standen ihr mit ihrem Fachwissen beratend zur Seite, viele Entscheidungen wurden gemeinsam im Vorstand getroffen. „Ich war sehr oft Moderatorin. Dieses Top-down-Prinzip im Sinne von ,Ich sitze an der Spitze und entscheide‘ funktioniert in solchen Kontexten nicht. Mein Ziel war, das Team mit den unterschiedlichen Kompetenzen und Meinungen in die Diskussion zu bringen. So haben wir an Lösungen gestrickt, die von allen getragen werden konnten. Dieses ,gemeinsame Denken‘ habe ich immer sehr geschätzt.“  

Selbstwirksamkeit als wichtiges Prinzip  

Ihre Erfahrungen als Ehrenamtliche in der Jugendarbeit haben Johanna Wenz geprägt. Sie waren auch ausschlaggebend dafür, ihr Lehramtsstudium abzubrechen. Ihre Vorstellung davon, „Begleiterin von Menschen zu sein“, passte nicht mit dem zusammen, was sie an Schulen erlebte. Sie gab der Jugendarbeit den Vorzug: Nach dem ersten Staatsexamen wechselte sie zum Jugendverband des Technischen Hilfswerks (THW). Im Rahmen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe" arbeitete sie unter anderem daran mit, das Zusammenleben vor Ort demokratischer zu gestalten. Darüber hinaus war sie für die Bildungsarbeit der THW-Jugend zuständig. Seit November 2022 ist sie als Dozentin am Institut für Jugendarbeit tätig. 

Bei der Berufswahl war ihr wichtig, eine Tätigkeit zu finden, bei der Freiwilligkeit und das Erfahren von Selbstwirksamkeit im Vordergrund stehen. Ihr liegt viel daran, Menschen unvoreingenommen zu begegnen. Andere in ihrem Anderssein akzeptieren zu können hält sie auch für die gesellschaftlichen Entwicklungen für wichtig: „Wir leben gerade in einer Gesellschaft mit vielen Meinungen und Mehrheitsverhältnissen. Man kann ,von oben‘ Dinge verändern. Aber es ist auch wichtig, aus verschiedenen sozialen Blickwinkeln zu schauen, wie eine Weiterentwicklung aussehen kann.“ 
 

„Ich glaube, die Gesellschaft entwickelt sich dann, wenn Menschen sich auf den Weg machen.“
Junge Frau läuft Wiese entlang.

Johanna Wenz möchte Jugendliche darin bestärken, ihren eigenen Weg zu finden. 

Über Verbände, Ehrenamt und Demokratie 

Als Bildungsexpertin und auch in ihrer Rolle als Vorstandsvorsitzende im Kreisjugendring lernte Johanna Wenz die Struktur aus Verbänden und Ehrenämtern besonders gut kennen. Egal ob Trachtenverein, Feuerwehr oder Obst- und Gartenbauverein – für sie gehört das Vereinsleben zum Leben in Bayern dazu. Und es spielt in ihren Augen auch eine wichtige Rolle für das Miteinander in der Gesellschaft. „Der Verein kann ein Ort sein, an dem ein echter Austausch stattfindet, der an vielen Stellen nicht mehr zustande kommt, weil sich viele in die eigene Komfortzone zurückziehen.“ Sich auszutauschen, darüber zu verhandeln, welche Dinge man umsetzen möchte, biete die Chance, die eigene Selbstwirksamkeit zu spüren. Deshalb rät sie allen, sich zu engagieren. Auch das Ehrenamt hält sie für unabdingbar, wenn es um gesellschaftliche Entwicklung geht. „Ich finde, das Ehrenamt ist ein unverzichtbarer Anker unserer Demokratie.“ Vor allem für Jugendliche stelle das Ehrenamt einen Ort des Lernens dar, an dem sie sich im geschützten Raum ausprobieren könnten. 
 

Ehrenamt in Bayern

Das Ehrenamt in Bayern hat eine lange Tradition und bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich einzubringen. Spezielle Projekte, die beispielsweise den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen fördern, bietet die Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern
Weitere Informationen finden Sie außerdem auf unserer Themenseite „Frauen im Ehrenamt“
 

Auflösen von Rollenbildern und neue Vorbilder 

Im Berufsleben erlebt Johanna Wenz immer wieder, wie Jugendliche von tradierten Rollenbildern beeinflusst werden. Ob Mansplaining, also dominantes Verhalten von Männern gegenüber Frauen, oder Sexismus – viele Jugendliche setzen sich kritisch mit diesen Themen auseinander. Sie sind außerdem sensibler für Rollenzuschreibungen und offener gegenüber alternativen Sichtweisen. „Ich habe in meiner Arbeit viele junge Menschen erlebt, die sich in einer unglaublich schönen Art und Weise miteinander über ihre Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten austauschten.“ Diese Offenheit führt sie unter anderem auch auf Social Media und das Internet zurück. Dort sei es leicht, Gruppen zu finden, die zu den eigenen Bedürfnissen passen. Oder Vorbilder, die es anders machen, wie beispielsweise eine berühmte Fußballerin. „Es braucht diese Sichtbarkeit von Menschen, die ihr Leben anders gestalten und nicht den klassischen Rollenbildern entsprechen. Denn das setzt Reflexionsprozesse in Gang, die etwas ändern.“ 
 

Frau lächelt in Kamera

Johanna Wenz findet es wichtig, Rollenbilder zu hinterfragen. 

“Wenn man in der Kindheit und Jugend einen Menschen hat, der nicht dem klassischen Weg folgt, eröffnet es die Möglichkeit, überhaupt daran zu denken, dass es anders gehen könnte.“

3 Fragen zur Rolle der Frauen

Wenn von der Stellung der Frau gesprochen wird, schwingt für mich immer auch Gleichberechtigung mit. Und das ist für mich tatsächlich eine Sache von Sozialisation. Also was bringen wir eigentlich Kindern und Jugendlichen bei? Wie schaffen wir es, dass Rollenbilder so weit aufgelöst werden, dass ein Mensch mit seinen Eigenschaften wahrgenommen wird und nicht einfach als „Mädchen“ oder „Junge“. Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der ich wild und frech und selbstbewusst sein durfte und nicht angepasst im Kleid am Kaffeetisch sitzen musste. Und trotzdem sind wir weit davon entfernt, dass es den gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt. Wir haben die Tendenz, dass Frauen in den eher schlecht bezahlten Berufen tätig sind, und selbst in Bereichen, in denen sie die Mehrheit bilden, werden die Führungspositionen von Männern besetzt.

Das ist schwierig zu beantworten. Ist diejenige mutig, die von der Klippe in den See springt, oder ist es diejenige, die sagt, sie möchte das nicht, weil ihr das Angst macht? Diejenige, die springt, wirkt vielleicht mutiger, aber ein Zurücktreten kann genauso stark sein. Menschen, die nach außen stark wirken, fühlen sich vielleicht gar nicht so. Oft werden Menschen als „stark“ angesehen, die „etwas erreicht“ haben. Diejenigen, die aufgrund schlechterer Startbedingungen bereits viel mehr geschafft haben, wenn sie ihr Leben im Griff haben, werden häufig übersehen. Stark sein hat für mich damit zu tun, mit einer Haltung durchs Leben zu gehen. Und dabei offen für Gespräche mit Menschen zu sein, die diese Haltung nicht teilen. Nicht stehen zu bleiben, sondern sich weiterzuentwickeln und Themen und Herausforderungen anzugehen, wenn sie auftauchen, das ist für mich Stärke.

Ich wünsche mir, dass sie als Menschen wahrgenommen werden mit ihren Eigenschaften, ihren Wünschen, ihren Zielen und ihren Träumen. Und das sollte auch schon im Kindesalter beginnen. Da sind auch die Eltern gefordert, genauer hinzuschauen: Was sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten meiner Kinder? Wie kann ich sie so fördern, dass sie verantwortungsvolle und achtsame Menschen werden? 

Junge Frau mit verschränkten Händen vor einem Board mit Begriffen.

In Seminaren vermittelt Johanna Wenz, was es für die Jugendarbeit braucht. 

Hand, die auf einen Begriff an einem Board zeigt.

In Seminaren vermittelt Johanna Wenz, was es für die Jugendarbeit braucht. 

Junge Frau vor einer Board mit Begriffen

In Seminaren vermittelt Johanna Wenz, was es für die Jugendarbeit braucht. 

Thema 1 von 3

Zu Gast in der Lebenswelt anderer 

Für Johanna Wenz findet das Leben in der Begegnung mit Menschen statt. Daran mitzuwirken, dass junge Menschen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, bedeutet ihr viel. In ihrem aktuellen Beruf als Dozentin am Institut für Jugendarbeit Gauting in der Nähe von München ist sie unter anderem für die sogenannte Arbeitsfeldqualifizierung von Streetworkerinnen und Streetworkern zuständig. In ihren Seminaren gestaltet sie einen Rahmen für einen professionellen Austausch und gibt den Teilnehmenden Argumente an die Hand, um Politikerinnen und Politikern vor Ort den Wert der Jugendarbeit begreiflich machen zu können. „Streetworkerinnen und Streetworker sind Gast in der Lebenswelt dieser Kinder und Jugendlichen und keine Aufsichtspersonen oder Menschen mit erhobenem Zeigefinger.“ Vielmehr setzen sich Streetworkerinnen und Streetworker für Kinder und Jugendliche ein, die sich im öffentlichen Raum aufhalten und aus dem üblichen Raster fallen. „Es braucht eine sehr professionelle Haltung, um mit den Gruppen überhaupt in Kontakt zu kommen und diesen Beratung anbieten zu können.“ 

Junge Frau an einem Fenster stehend

Johanna Wenz achtet darauf, ihren Blick offen zu halten. 
 

Die Mücke, die immer wieder sticht 

Negative Erlebnisse aufgrund ihres Geschlechts hat Johanna Wenz während ihrer beruflichen Laufbahn nur bedingt gemacht. Sie musste öfter Kompetenz zeigen, bevor sie wahrgenommen wurde, oder sich von Männern Dinge erklären lassen, in denen sie selbst Expertin war. Ihr gefällt das metaphorische Bild, das die Autorin Tupoka Ogette im Kontext von Rassismus für die Frage „Wo kommst du her?“ entworfen hat und das auf das Thema „Frausein“ übertragbar sei: „Sie vergleicht die (indirekte) Thematisierung mit einem Mückenstich, der juckt, den man aber gut aushalten kann. Aber wenn die Mücke einen immer wieder sticht, dann fängt es irgendwann an zu nerven, und im schlechtesten Fall beeinträchtigt es einen.“ Sie selbst erlebt den Umgang mit ihrem „Frausein“ als Gratwanderung: „Ob ich versuche, schlagfertig zu reagieren, das Gesagte zu spiegeln, oder sage, Stopp, so geht’s nicht‘, ist von der Situation und meiner persönlichen Tagesform abhängig.“ 

Gleichberechtigung als gemeinsames

Auch wenn sie selbst findet, dass sich etwas am Rollenverständnis von Männern und Frauen ändern muss, hat sie zu Modellen wie der Frauenquote ein eher ambivalentes Verhältnis: „Ich glaube, dass die Frauenquote langfristig hilfreich ist, weil sie für mehr Diversität sorgt. Aber trotzdem müssen Frauen, die die Quoten erfüllen, erst mal mit diesem ungerechtfertigten Stempel leben.“ Genauso wichtig ist für sie, was im direkten Austausch passiert. Wie reagieren Mitarbeitende? Warum wollen sie sich von einer Frau weniger sagen lassen als von einem Mann? Diese unterbewussten Prozesse müssten mehr reflektiert werden, um Rollenbilder abzubauen. „Gleichberechtigung muss ein gemeinsames Projekt von allen Geschlechtern sein.“ Das gemeinsame Ziel sieht sie darin, Rollenbilder – auch die von Männern – aufzubrechen und auf diese Weise Schritt für Schritt mehr Chancengerechtigkeit zu erreichen.